Wer ist Thomas Nast ?

Thomas Nast: Vom Kind in Landau zum prägenden Geist New Yorks

Die Geschichte von Thomas Nast, dem späteren Giganten der amerikanischen politischen Karikatur, begann 1840 in Landau, wo er als Sohn eines bayerischen Militärmusikers und einer Mutter aus Mörlheim das Licht der Welt erblickte. Doch seine Heimat sollte nicht lange Deutschland bleiben. Bereits 1846, mit gerade einmal sechs Jahren, brach Thomas mit seiner Mutter, seiner älteren Schwester und seiner Tante nach Amerika auf. Sein Vater, der sich auf eigene Faust auf den Weg machte, stieß erst vier Jahre später in New York zur Familie – ein erstes Zeichen der Entbehrungen und Neuanfänge, die Nasts Leben prägen sollten.

Ein Talent, das alle Schulmauern sprengte

In New York war Nasts Schulzeit alles andere als ein Triumphzug. Weder der Wechsel auf eine deutschsprachige Schule noch andere Bemühungen brachten den gewünschten Erfolg in den grundlegenden Fächern. Doch wo die Schule scheiterte, blitzte ein außergewöhnliches Talent auf: Das Zeichnen. Schon früh erkannten seine Lehrer dieses besondere Geschick und förderten ihn nach Kräften.

Nach seinem 13. Geburtstag erhielt der junge Thomas Privatunterricht von Frederick Kaufmann, einem renommierten deutsch-amerikanischen Maler. Bald darauf begann er eine Ausbildung an der angesehenen New Yorker „Academy of Design“. Mit unermüdlichem Eifer vertiefte er sich in die Kunstwelt, besuchte Museen und Galerien, um sein Zeichen- und Maltalent durch das Kopieren großer Meisterwerke zu schulen.

Die Geburt eines Journalisten – Vom Lehrling zum Meister der Gravur

Mit nur fünfzehn Jahren verließ Nast die Kunstakademie und wagte den Sprung in die Berufswelt. Er nahm eine Stelle als Zeichner und Graveur bei „Frank Leslie’s Illustrated News“ in New York an. Hier traf er auf den versierten Zeichner Sol Eyting, der den jugendlichen Nast unter seine Fittiche nahm. In einer intensiven, rund dreijährigen Lehrzeit verhalf Eyting ihm zur Meisterschaft im journalistischen Zeichnen und Gravieren – eine Fertigkeit, die Nasts spätere Karriere definieren sollte.

Der junge deutschstämmige New Yorker tauchte mit wachem Blick in das turbulente Leben der rasch wachsenden Einwanderermetropole ein. Mit stetig wachsendem Interesse setzte er sich mit den gesellschaftlichen und politischen Geschehnissen auseinander, denn diese lieferten ihm den Stoff für seine tägliche Arbeit.

Frühe politische Schärfe und der Kampf gegen Korruption

Nasts politische Ansichten formten sich schnell. Er richtete seinen kritischen Blick gegen das von irischen Einwanderern und der demokratischen Partei dominierte System der Patronage und Korruption in New York City. Seine engagierte Beteiligung an Kampagnen von Frank Leslies Magazin, wie der Kampf gegen die Korruption innerhalb der Stadtpolizei und die Aufdeckung des Skandals um verdorbene Milch, schärften seinen kritischen Zugang zur Politik.

Die immer drängendere Frage der Sklaverei auf nationaler Ebene führte Thomas Nast, wie so viele andere deutsche Einwanderer auch, zur 1856 gegründeten Republikanischen Partei. Deren erklärtes politisches Ziel war die Eindämmung der Sklaverei in den USA – eine Haltung, die Nast voll und ganz unterstützte.

Nach drei prägenden Jahren verließ der 19-jährige Thomas Nast „Frank Leslie’s Illustrated News“, um als freier Mitarbeiter für verschiedene Publikationen wie die „New York Illustrated News“ und das später so wichtige „Harper’s Weekly“ tätig zu werden.

Ein kurzer Blick in die alte Welt

In dieser Zeit unternahm Nast auch eine Reise nach Europa. Im Auftrag berichtete er über den Boxweltmeisterschaftskampf in England, zog als Kriegsberichterstatter mit Garibaldi in den italienischen Befreiungskampf und legte auf der Rückreise einen kurzen, nur wenige Tage dauernden Besuch in seiner Geburtsstadt Landau und bei seinen Verwandten ein. Dieser eine Besuch sollte sein einziger bleiben – ein kurzer Blick zurück, bevor er sich voll und ganz seiner amerikanischen Bestimmung widmete.

Eine prägende Ehe und der Ruf des Krieges

Im September 1861 trat Thomas Nast in den Bund der Ehe, indem er Sarah Edwards heiratete, eine Frau aus einer liberalen und gebildeten New Yorker Familie. Diese Verbindung sollte Nasts Horizont erheblich erweitern. Dank Sarahs ausgeprägter Belesenheit entdeckte er seine tiefe Liebe zum Theater und zur Literatur. Sie führte ihn in die großen Werke der Weltliteratur ein, deren Motive und Symboliken er später meisterhaft in seinen Karikaturen als eindringliche visuelle Ausdrucksmittel einsetzte.

Nasts Einfluss im Bürgerkrieg: Ein Stift mächtiger als ein Schwert

Das Jahr 1862 markierte einen Wendepunkt in Nasts Karriere: Er erhielt eine Festanstellung bei „Harper’s Weekly“, einer Zusammenarbeit, die über zwei Jahrzehnte dauern sollte. Mit Rücksicht auf seine junge Frau trat Nast nicht in die Armee ein und verbrachte die Kriegsjahre, abgesehen von wenigen Monaten, in New York. Doch seine Rolle als Zivilist und Illustrator war alles andere als passiv – sie war von einer zuvor ungekannten Wirksamkeit.

Mit seinen mittlerweile legendären Bürgerkriegsillustrationen in „Harper’s Weekly“, darunter ikonische Werke wie „Christmas Dinner“, „Santa Claus in Camp“ und „Christmas Furlough“, traf Nast genau den patriotischen Nerv der Nordstaaten. Er verstärkte die vorherrschende Stimmung und trug maßgeblich dazu bei, den Widerstandswillen der Unionsbevölkerung in den kritischen Jahren 1862 und 1863 zu festigen, als die erhofften schnellen militärischen Erfolge ausblieben.

Präsident Lincoln selbst zollte Nasts Wirken höchstes Lob, auf das dieser mit Recht stolz war: „Thomas Nast war unser bester Rekrutierungsoffizier. Seinen Karikaturen gelang es immer, Begeisterung und Enthusiasmus zu wecken, und zwar immer dann, wenn es daran zu mangeln schien.“ Auch U.S. Grant würdigte Nasts Beitrag zur Erhaltung der Union rückblickend als eine einzigartige Leistung eines Zivilisten. Nasts Stift erwies sich in diesen entscheidenden Jahren als ein Instrument, das genauso mächtig war wie jedes Schwert auf dem Schlachtfeld.

Thomas-Nast Verein Landau in der Pfalz e.V.
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Der Aufstieg zum „Vater der modernen politischen Karikatur“

Nach dem Bürgerkrieg veränderte Thomas Nast seinen künstlerischen Ansatz grundlegend. Seine bisher gefühlsbetonten Illustrationen wandelte er in scharfe politische Karikaturen um. Er stürzte sich in den publizistischen Kampf gegen den berüchtigten und korrupten Boss William Tweed und seinen New Yorker „Tammany Ring“. Hier schuf Nast sarkastisch pointierte und direkt wirkende Cartoons, die ihm den Titel „Vater der modernen politischen Karikatur“ einbrachten. Seine monatelange Kampagne gegen den „Tammany Ring“ war „Nasts mächtigstes Wirken: eine anhaltende, kontinuierliche Attacke, die in Leidenschaft und Effektivität in der Geschichte amerikanischer Kunst kein Beispiel findet.“ Sie war ein beispielloses Beispiel dafür, wie Kunst und Satire politische Macht herausfordern können.

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Thomas Nast, „Who stole the People’s Money?” – “ ‘Twas Him!”

Nasts triumphaler Kampf und sein bleibendes Vermächtnis

Im November 1871 wurde der scheinbar unantastbare Boss William Tweed festgenommen und strafrechtlich verfolgt – ein Erfolg, den die Öffentlichkeit vor allem Nasts unerschütterlicher Offenlegung von Tweeds Korruptionssystem in New York verdankte. Die „New York Times“ und der „Union League Club of New York“ unterstützten Nasts Initiativen als renommierte Verbündete.

In diesen Jahren stieg Nast zu einem der einflussreichsten Journalisten im politischen Meinungskampf der USA auf. Am 20. März 1872 lobte die „New York Times“ in einem Leitartikel seine für einen Künstler einzigartige politische Macht. Innerhalb eines Jahres hatte sich die Auflage von „Harper’s Weekly“ verdreifacht, und Thomas Nast wurde neben Chefredakteur und Mitherausgeber George Curtis zur prägenden Figur der damals bedeutendsten politischen Wochenzeitung der USA.

Eine Konstante in Nasts politischer Haltung war seine tiefe Verehrung für den Bürgerkriegsgeneral und zweimaligen Präsidenten U.S. Grant. Mit scharfen Karikaturen attackierte Nast Grants politische Konkurrenten und trug so maßgeblich zu dessen zweimaligem Wahlsieg bei.

In der visuellen Gestaltung seiner Karikaturen legte Nast zunehmend Wert auf Klarheit in der Komposition und gebündelte Aussagekraft. Er schuf Symbole wie den reißenden Tiger und den beutemachenden Geier. Er prägte den Elefanten für die Republikanische Partei und popularisierte den Esel als Symbol für die Demokratische Partei. Auch die Figur des Uncle Sam zur Verkörperung der USA stammt aus seiner Feder. Darüber hinaus entwickelte er die Figur des Santa Claus und erfreute damit, zusammen mit seinen jährlichen Weihnachtsillustrationen, Jung und Alt in der ganzen Nation.

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Thomas Nast wurde 1840 in Landau in eher ärmliche Verhältnisse hineingeboren. Seine Familie, bestehend aus einem Militärmusiker als Vater und einer Mutter, die bei einem Färber arbeitete, lebte aufgrund der damaligen „Familienresidenzpflicht“ in der „Roten Kaserne“ in Landau. Die Lebensbedingungen dort, in direkter Gemeinschaft mit zahlreichen Soldaten, würden aus heutiger Sicht als „menschenunwürdiger Zustand“ empfunden werden.

Ein Neubeginn in Amerika: Zwischen Bescheidenheit und Selbstironie

Trotz der schwierigen Bedingungen in Landau schien Nasts Familie nicht mittellos gewesen zu sein. Sein Vater, Josef Nast, hatte vorsorglich genügend Geld für die Auswanderung und die Stellung eines Ersatzmannes hinterlegt. Bei der Einschiffung in Le Havre konnte Mutter Appolonia Nast nicht nur ein bezahltes Ticket, sondern auch ausreichend Barmittel vorweisen, um die Ausreise zu ermöglichen. Die vergleichsweise komfortable Kajüte auf der Überfahrt und der reibungslose Start in New York lassen darauf schließen, dass die Familie finanziell abgesichert war. Dennoch war das Leben der Nasts in New York von eher bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen geprägt, was auch erklärt, warum der junge Nast früh eine Anstellung suchte.

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Der Charme der Unkonventionalität: Thomas Nasts Persönlichkeit

Thomas Nast, der von Statur eher klein war, stellte sich in seinen Zeichnungen oft selbst dar – als kleiner, dicker Junge oder Jugendlicher mit wirrem Haar und unordentlicher Kleidung, der wenig Wert auf äußere Formen legte. Fernab jeglicher Eitelkeit nutzte er seinen angeborenen Humor, um sich selbst und seine vermeintlichen Schwächen auf die Schippe zu nehmen. Ein Zitat beschreibt es treffend: „Indem er sich über sich selbst lustig machte, kompensierte er den Mangel an Bildung und Reife und wurde so zu einem angesehenen Zeitgenossen. Dieser Wesenszug half ihm bei seiner Werbung Sarah Edwards ebenso wie bei seinen Reisen, seinen Anstellungen und Freundschaften für den Rest seines Lebens.“ Diese charmante Selbstironie war ein Schlüssel zu seiner Beliebtheit und seinem Erfolg, sowohl persönlich als auch beruflich.

Vom „Kleindeutschland“ zur amerikanischen Identität

Nasts ethnische Identität als Einwanderer deutscher Herkunft wurde zunächst stark durch seine Sozialisation im New Yorker Bezirk der William Street geprägt, der einem „Kleindeutschland“ glich. Dort bedeutete „ein deutscher Einwanderer zu sein, deutsche Kuchen im Laden an der Ecke zu kaufen, eine deutsche Schule zu besuchen und bei einem deutschen Meister in die Lehre zu gehen.“

Doch mit seinem Karrierebeginn als Zeichner zur Zeit des Bürgerkriegs und seiner Heirat mit Sarah Edwards begann sich Nast von seinem familiären Hintergrund und seiner ethnischen Prägung zu lösen. Er schlug seinen Weg in die Mitte der amerikanischen Gesellschaft ein, von wo aus er mit der patriotischen Gesinnung eines amerikanischen Staatsbürgers seinen bedeutsamen Beitrag zur Erhaltung der Union leistete. Karl Scherer betont zu Recht, dass Nast kein „Bindestrich-Amerikaner“ war und sich nicht als Angehöriger der Volksgruppe der Deutsch-Amerikaner betrachtete. In seinem persönlichen Umfeld gab es nur wenige Deutsch-Amerikaner, und die in weiten Teilen der USA verbreiteten Eigenheiten der deutschen Alltagskultur begleitete er in seinen Karikaturen und Zeichnungen eher satirisch.

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Ich komme mit meiner Kompanie

Nasts Zusage für ein Dinner der Armee in einem deutsch-amerikanischen Lokal 12. Dez. 1894

„Dutch Th. Nast“
Dutch: holländisch und ‚deitsch’ .

Ein Amerikaner durch und durch: Nasts klare Haltung und persönlicher Stil

Nasts dezidiert amerikanische Haltung zeigte sich auch darin, dass keine Phase seines künstlerischen Schaffens mit deutschsprachigen Zeitungen in den USA verbunden war. Politische Entwicklungen in Deutschland und Europa kommentierte er stets aus der Perspektive eines amerikanischen Bürgers.

Thomas Nast zog Menschen an, die geradlinig, unkompliziert und pragmatisch waren, Persönlichkeiten wie U.S. Grant und Mark Twain. Mit hochgebildeten und intellektuellen Persönlichkeiten fühlte er sich hingegen unwohl. Seine kurze Schulausbildung und der Kampf um eine korrekte englische Ausdrucksweise ließen ihn den Briefwechsel mit eloquent formulierenden Persönlichkeiten, wie seinem Chefredakteur George W. Curtis, meiden.

Während Nast einerseits von der kulturellen Offenheit der Familie seiner Frau Sarah Edwards geprägt wurde und neugierig Kulturreisen nach Europa unternahm, strebte er andererseits nach der Sicherheit der amerikanischen Mittelschicht. Thomas und Sarah Nast „bauten sich ein Leben auf, das Nasts Interesse an Themen der amerikanischen Mittelschicht spiegelte: Häuslichkeit, Sentimentalität und Ehrbarkeit.“

Seine erste größere Anschaffung auf Kredit für den gemeinsamen Haushalt war ein Klavier. Das großzügige Haus in Morristown, New Jersey, wurde zum unbestreitbaren Kraftzentrum seines Lebens. Dort genoss er die Geborgenheit des Familienlebens mit seinen fünf Kindern und die Gesellschaft seiner Freunde.

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Morristown: Ein Rückzugsort der Inspiration und des Austauschs

Der Umzug im Jahr 1872 aus den bescheidenen Verhältnissen seines ersten Hauses in Harlem nach Morristown war für Nast eine wahre Erfüllung. Hier schuf er sich in einem sowohl bürgerlichen als auch künstlerischen Umfeld Raum zum Arbeiten und für seine zahlreichen Kunstgegenstände. Dies war jedoch keineswegs ein biedermeierlicher Rückzug ins Private. Im Gegenteil, Nast genoss den Kontakt und die Gesellschaft ausgewählter Zeitgenossen. Als Mitglied verschiedener New Yorker Clubs traf er auf herausragende Persönlichkeiten. Er gehörte mindestens fünf wichtigen Vereinigungen an: dem „Players Club“, dem „Union League Club“, dem „Lotus Club“, der „Century Association“ und der „Grant Birthday Association“. Die Ziele dieser Clubs spiegelten Nasts eigene Interessenschwerpunkte wider: seine Liebe zu Kunst, Literatur und Theater, sein fester Glaube an eine von jeglicher Bevormundung freie Gesellschaft engagierter Bürger und seine Wertschätzung eines republikanischen Staates, der für eine faire, korruptionsfreie Regierung eintritt.

Ein Verfechter der Trennung von Kirche und Staat

Thomas Nast war ein vehementer Verfechter der Trennung von Kirche und Staat. Diese Überzeugung veranlasste ihn, in mehreren Karikaturen die katholische Kirche und deren Einfluss auf Schule und Gesellschaft scharf anzugreifen. Sein Missfallen an katholischen Glaubenspraktiken führte dazu, dass der katholisch getaufte Nast seinen Glauben bereits in seiner Jugend aufgab.

Finanzieller Absturz und lebenslanger Kampf

Als erfolgreicher Karikaturist, Zeichner und Illustrator hatte sich Nast bis Anfang der 1880er Jahre einen beachtlichen Wohlstand erarbeitet. Doch bei unüberlegten Investitionen in Eisenbahnpapiere und Silberminen fehlten ihm Vorsicht und Weitsicht. Durch betrügerische Machenschaften und die Wirtschaftskrise von 1883/84 verlor er erhebliche finanzielle Mittel. Für den Rest seines Lebens musste er hart darum kämpfen, Hypotheken abzuzahlen, um sein geliebtes Haus in Morristown behalten zu können.

 

 

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Letzte Jahre und ein umstrittenes Erbe

Um dem „großen alten Herrn“, der sich so verdient um die USA gemacht hatte, im Alter finanzielle Sicherheit zu bieten, unterbreitete Theodore Roosevelt Thomas Nast 1902 ein Angebot: den Posten eines Konsuls in Guayaquil, Ecuador. Nast konnte es sich nicht leisten, diesen Posten abzulehnen. Tragischerweise verstarb er noch Ende desselben Jahres in Ecuador an Gelbfieber.

Kollaborationen und Kontroversen: Nasts Anfänge als Kriegskünstler

In den frühen 1860er Jahren hatte Thomas Nast das Privileg, bei seinen Aufträgen für New Yorker illustrierte Zeitungen mit bereits etablierten und hochgeschätzten Künstlern und Zeichnern wie Alfred A. Waud, Arthur Lumley und dem bis heute bekannten Winslow Homer zusammenzuarbeiten. Bei Ausbruch des Bürgerkriegs entschieden sich diese Künstler, als „Combat Artists“ mit den Truppen ins Feld zu ziehen. Thomas Nast hingegen blieb wegen seiner bevorstehenden Heirat in New York.

Dort oblag ihm unter anderem die Aufgabe, die von den Frontberichterstattern zugesandten Zeichnungen für den Druck in Holzschnitte zu übertragen. Dabei unterlief dem jungen Thomas Nast, wie er später selbst zugab, mehrmals der Fehler, die von ihm gravierten Holzstiche – und damit die veröffentlichten Illustrationen – mit seinen Initialen („T.N.“) zu versehen. Dies führte zu Kritik der betroffenen Künstler; Arthur Lumley erhob sogar den Vorwurf des Plagiats. Hinsichtlich Nasts eigener, äußerst populär gewordener Bürgerkriegsillustrationen warf Alfred A. Waud ihm vor, seine Werke nicht aus eigener Anschauung, sondern durch Entlehnungen aus Zeichnungen anderer Künstler geschaffen zu haben.

Tatsächlich hielt sich Thomas Nast im Frühsommer 1863 nur wenige Wochen in South Carolina und Pennsylvania auf, ohne dabei größere Kampfhandlungen erlebt zu haben. Man muss Nast jedoch zugestehen, dass er für seine Illustrationen keinen dokumentarisch-realistischen, sondern einen imaginären, verdichtenden Zugang zu seinen Kriegssujets suchte. Die „Combat Artists“, die wie Alfred A. Waud fast ununterbrochen und jahrelang im Feld arbeiteten, hatten wenig Verständnis für Nasts auf Gefühlswirkung abzielenden zeichnerischen Ansatz.

 

Nasts kontroverse Rolle in der Parteipolitik: Der Wahlkampf von 1872

Thomas Nasts Rolle im Vorfeld der Präsidentschaftswahl von 1872 wurde im Nachhinein äußerst kritisch betrachtet. Angesichts des vermeintlichen Versagens des seit 1868 amtierenden Präsidenten U.S. Grant, formierte sich eine Gruppe von Politikern innerhalb der Republikanischen Partei, um eine zweite Amtszeit Grants zu verhindern. Zu dieser Gruppe gehörten prominente Persönlichkeiten wie Murat Halstead, Whitelaw Reid, Horace White, Horace Greeley und der ehemalige radikaldemokratische deutsche Revolutionär Carl Schurz, der später von 1877 bis 1881 als US-amerikanischer Innenminister diente.

Anfang 1872 gründeten sie die „Liberal Republican Party“ und kürten Horace Greeley zu ihrem Präsidentschaftskandidaten. Greeley, einst ein vehementer Gegner der Sklaverei, setzte sich sieben Jahre nach dem Bürgerkrieg für eine Versöhnung mit den Südstaaten ein, wodurch er auch die Unterstützung der Demokratischen Partei für seine Kandidatur gewann.

Thomas Nast begegnete dieser Herausforderung für U.S. Grant mit nichts als Hohn und Spott. Über Monate hinweg attackierte er Woche für Woche in über 85 Karikaturen vor allem Horace Greeley und Carl Schurz, die als Urgesteine der Republikanischen Partei galten. Er schreckte dabei nicht davor zurück, die beiden verdienten Politiker in einigen Karikaturen als Verräter an der Sache Lincolns und an den Kriegsopfern der Union darzustellen.

Viele Zeitgenossen waren der Ansicht, dass Nast dabei die Grenze zwischen kritischer Karikatur und persönlicher Verleumdung überschritt. Versuche von Carl Schurz und dem verantwortlichen Herausgeber von „Harper’s Weekly“, George W. Curtis, Nast zu einer Abschwächung seiner Kampagne zu bewegen, blieben ohne Erfolg. Nast war nach seinem Sieg über den „Tammany Ring“ in allem, was er tat, unangreifbar geworden, gestützt von Verleger Fletcher Harper. Als nach der für U.S. Grant siegreichen und für Greeley vernichtenden Wahl im November 1872 zuerst Horace Greeleys Gattin und kurz darauf Greeley selbst verstarben, gab es Stimmen, die Thomas Nast die Schuld daran gaben.

 

Ein legendärer Wortwechsel: Nasts unnachgiebiger Kampfgeist

Nasts unnachgiebiger Kampf gegen die politischen Gegner von U.S. Grant blieb zeit seines Lebens unvergessen und zeigte sich auch lange nach seinen größten Erfolgen. Dies wurde bei einem Dinner im „Lotus Club New York“ im Jahr 1892 deutlich, das zu Ehren des bekannten britischen Karikaturisten Harry Furniss vom Londoner „Punch“ veranstaltet wurde. Thomas Nast war als Ehrengast direkt neben Furniss platziert.

Laut einem Bericht der „New York Times“ nutzte Furniss seine Dankesrede für eine satirische Attacke auf spezifisch amerikanische Eigenheiten. Er bemerkte, dass nicht alles, was einem Volk gefalle, auch für ein anderes passe, und verglich amerikanische Zeitungen mit amerikanischen Abendessen: „Ihre amerikanischen Zeitungen sind wie Ihre amerikanischen Mahlzeiten – alles wird gleichzeitig auf einem Teller serviert.“ Dann fügte er hinzu: „Mit Ihren umfassenden Karikaturen vernichten Sie die Männer, die in der Öffentlichkeit stehen.“

In diesem Moment unterbrach Thomas Nast schlagfertig: „Das ist etwas, was Sie [in Großbritannien] nicht fertigbringen!“ Die Anwesenden brachen in Gelächter aus, das noch lauter wurde, als Furniss erwiderte: „Unsere öffentlichen Personen sind zu stark, um durch solche Keckheiten vernichtet zu werden.“ Dieser legendäre Wortwechsel illustriert nicht nur Nasts scharfen Geist, sondern auch seinen tief verwurzelten Glauben an die transformative Kraft der amerikanischen Karikatur.

Dieser Text ist ein Auszug aus „Henry Villard-Hilgard und Thomas Nast: Große Karrieren – persönliche Distanz“ von Karl Erhard Schumacher, erschienen in Pfälzer Heimat, Jahrgang 65, Heft 1, 2014.

Literaturverzeichnis

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